Wir sind zufriedene Menschen – Vom Übersetzen als Team

Am 7. Mai 2023 fand in Hessen Ein Tag für die Literatur statt: Vom Vormittag bis in den Abend konnte das Publikum Veranstaltungen im ganzen Bundesland besuchen. 

Die Weltlesebühne e.V. beteiligte sich in Kooperation mit dem Förderverein Alondra Institute e.V. mit einer Veranstaltung zum Thema Literaturübersetzen: Im Geschichtsort Adlerwerke traf die Literaturübersetzerin Kirsten Brandt ihre beiden Kolleginnen Barbara Neeb und Katharina Schmidt zu einem intensiven Werkstatt-Gespräch zum Thema „Übersetzen im Team“. 

Ein bewährtes Team

Literaturübersetzen ist immer eine ganz eigene Herausforderung. Egal um welches Genre es sich handelt, es geht immer darum, den Ton der Autorin oder des Autors zu erspüren und jeweils in die andere Sprache zu übertragen: Übersetzer*innen geben dem Text ihre Stimme. Das gilt für Krimis, „Gebrauchsliteratur“ ebenso wie für die sogenannte „Hochliteratur“. 

Eine Gratwanderung jedes Mal. Wird die Herausforderung beim Teamübersetzen nicht noch größer? 

Barbara Neeb und Katharina Schmidt haben diese Art der Zusammenarbeit inzwischen über fünfzehn Jahre hinweg erprobt. Natürlich mussten sie sich zunächst an einander heranarbeiten und zu einem gemeinsamen  Modus finden. Aber sie sehen im „Tandem-Übersetzen“, wie sie es nennen, viele Vorteile.

So hat sich ihr „Über-Kreuz-Arbeiten“ perfekt eingespielt. Dabei wird man nicht nur schneller und flexibler, sondern kann gleichzeitig auch noch genauer und gründlicher sein: Stärken multiplizieren sich und man kann sich gegenseitig hinterfragen. Lösungen für knifflige Problemstellungen finden sich leichter im Austausch. Und schließlich bekommt der Verlag eine vorlektorierte Fassung geliefert.

Und: Tandem-Übersetzen macht Spaß – vorausgesetzt man ist in der Lage, auch die gegenseitige Kritik als Bereicherung der gemeinsamen Arbeit zu erleben.

Austausch mit dem Publikum

Die drei Übersetzerinnen baten auch das Publikum, an ihrem Gespräch teilzunehmen. So konnten viele Fragen rund ums Übersetzen aufgeworfen und diskutiert werden: 

Von Fragen zur Organisation der Arbeit und Herangehensweisen über Beziehungen zu den Verlagen bis hin zu Honorarverhandlungen kamen verschiedenste Themen zur Sprache – auch zur heißdiskutierten Künstlichen Intelligenz und der Frage, welche Zukunft auf den Beruf der Übersetzenden wohl zukommt.

Eine Publikumsfrage bezog sich auf eventuelles Konkurrenzdenken unter den Übersetzenden, ähnlich wie zuweilen unter Autor*innen. Dazu meinte Barbara Neeb, Literaturübersetzende wären zufriedene, solidarische Menschen. Woraufhin Katharina Schmidt ergänzte, dass dies aber nicht bedeute, dass sie mit den herrschenden Arbeits- und Honorarbedingungen zufrieden wären und diese klaglos hinnehmen würden.

Was bringt die Zukunft?

Als Fazit lässt sich sagen: Übersetzende leisten einen großen Beitrag nicht allein zur Weltliteratur, sondern zum interkulturellen Austausch. Es ist an der Zeit, dass sie aus der Unsichtbarkeit heraustreten und ebenso wahrgenommen werden, wie die Autor*innen, denen sie ihre Stimme geben. Dazu gehört auch, dass man ihre Namen in Zukunft auf den Buchcovern lesen kann: „Das ist keine Eitelkeit, sondern Marketing“, stellen Barbara und Katharina klar.

Katharina Schmidt, Barbara Neeb und Kirsten Brandt
©Screenshot_WLB

Für alle, die gern mehr zu den Themen und dieser Veranstaltung wissen möchten: Die Veranstaltung wurde für den YouTube-Kanal der Weltlesebühne aufgezeichnet. Hier geht’s zum Video.

Barbara Neeb studierte Komparatistik, Italienische und Französische Philologie. Seit 1996 übersetzt sie Belletristik, Kinder-und Jugendbuch sowie Sachbücher. Zudem organisiert und moderiert sie Übersetzerveranstaltungen im Rahmen des Vereins Weltlesebühne.

Katharina Schmidt studierte zunächst Theater- und Literaturwissenschaft, danach Musiktheater-Regie in Hamburg. Sie arbeitet seit 1992 als Übersetzerin aus dem Italienischen und Englischen, Gutachter und Lektorin. Außerdem moderiert und organisiert sie Literaturveranstaltungen.

Kirsten Brandt übersetzt seit über zwanzig Jahren aus dem Katalanischen, Spanischen und Portugiesischen. Ihre Übersetzungen wurden mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Übersetzerpreis der Spanischen Botschaft und dem Premi de Traducció der Fundació Ramon Llull.

B.E.

 

 

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