TraLaLit – Magazin für übersetzte Literatur

Ein Gespräch auf der digitalen Weltlesebühne mit Julia Rosche und Freyja Melsted

Julia und Freyja, ihr habt TraLaLit vor drei Jahren zusammen mit Felix Pütter gegründet. Was war eure Motivation, TraLaLit aufzubauen?

Freyja: Das war so eine Mischung aus ein bisschen Langeweile, Frust und vor allem Tatendrang. Felix und ich haben damals noch beide Literaturübersetzen an der Uni Düsseldorf studiert und haben die Arbeitssituation der Literaturübersetzenden mitbekommen, aber auch gesehen, wie Übersetzungen öffentlich wahrgenommen werden oder eben auch nicht. Wir wollten eine von Verlagen und Verbänden unabhängige Plattform im Internet schaffen – für Beiträge, die sich vor allem dem Thema Übersetzen widmen, und Rezensionen mit Fokus auf Übersetzungskritik.

Ursprünglich war das Ganze gar nicht so groß geplant. Wir dachten, jetzt starten wir eine Art Blog und schreiben regelmäßig Artikel, aber das Projekt ist sehr schnell gewachsen. Uns wurde schon bald das Potenzial der Idee bewusst und dann haben wir Julia an Bord geholt.

Julia: Felix hatte mir im Frühjahr 2018 von dem Projekt erzählt, das damals noch in den Startlöchern stand, und gefragt, ob ich nicht einen Text über eine Übersetzung schreiben wolle. Ich hatte damals mit Literaturübersetzen wenig zu tun, las aber viel Literaturkritik und interessierte mich für übersetzerische Fragen, hin und wieder schaffen es einige Diskussionen ja doch ins Feuilleton. Ich bin dann bei dem Projekt eingestiegen, noch bevor die Website gelauncht wurde. Die Grundstruktur hatten schon Freyja und Felix erstellt, und im Juni 2018 ging es dann los.

Wie ging es weiter?

Freyja:
Wir haben gemerkt, dass viele Leute Literaturübersetzungen spannend finden, und viele Leser und Leserinnen gewonnen. Anfangs bekamen wir noch keine finanzielle Unterstützung, aber viele haben auch ohne Bezahlung Beiträge für uns geschrieben, was uns sehr geholfen hat. Wir wachsen ständig und können mittlerweile Gastbeiträge dank Förderungen des Deutschen Übersetzerfonds vergüten. Außerdem haben wir viele Kontakte geknüpft und waren zum Beispiel Medienpartner der Translationale, dem neuen Festival für Literaturübersetzung, das vor Kurzem in Berlin stattfand.

Ihr habt ja inzwischen ein größeres Redaktionsteam. Sind die anderen Mitglieder alle per Netzwerk oder Zufall dazugekommen? Oder haben sie sich bei euch gemeldet, weil sie TraLaLit kannten?

Julia: Wir haben irgendwann beschlossen, dass wir uns vergrößern wollen, weil das Magazin viel Arbeit ist und wir das Ganze ehrenamtlich machen. Unsere neuen Redaktionsmitglieder haben in der Regel vorher schon für uns ein oder zwei Beiträge geschrieben. Offene Stellen schreiben wir aber auch auf unserer Website aus.
Um bei uns mitzumachen, muss man nicht Literaturübersetzen studiert haben, aber viele unserer Redakteurinnen haben zum Beispiel einen literaturwissenschaftlichen Hintergrund. Wir suchen auch weiterhin nach neuen Redaktionsmitgliedern.

Versucht ihr, alle Sprachen abzudecken und ist es euch wichtig, dass jemand das Original auch lesen kann?

Freyja: Egal ist es uns nicht, uns ist aber auch klar, dass wir nie alles abdecken können. Wir haben das Glück, dass wir in der Redaktion ein breitgefächertes Spektrum an Sprachen sprechen. Und Lücken füllen wir durch Personen, die oft für uns Gastbeiträge schreiben.

Aber es ist nicht immer möglich, dass jemand auch die Sprache des Originals beherrscht, sonst könnten wir nur Bücher aus dem Englischen oder Spanischen oder den anderen großen Sprachen rezensieren. Das ist natürlich prozentual viel von dem, was auch übersetzt wird, aber darauf wollen wir uns nicht beschränken. Deshalb haben wir beschlossen, auch Bücher zu rezensieren, deren Original niemand bei uns lesen kann, denn wir finden, dass man oft trotzdem einiges über eine Übersetzung sagen kann, auch ohne den direkten Vergleich mit dem Ausgangstext.

Übersetzungskritik in den Medien beschränkt sich ja meist auf ein Adjektiv wie kongenial, brillant, stimmig, wenn die Übersetzung als gut bewertet wird, Ausnahmen bestätigen die Regel, ausführlicher wird es meist nur, wenn es etwas zu kritisieren gibt. Was ist euer Ansatz für eine Übersetzungskritik?

Freyja: Man versucht natürlich, unvoreingenommen und unabhängig vom Übersetzenden an die Übersetzung heranzugehen und eine fundierte Kritik abzuliefern. Im Feuilleton stört mich nicht das gut oder schlecht, sondern die Oberflächlichkeit. Es wird meist nicht begründet und beschränkt sich auf einen Satz, man könnte doch auch sagen, aus welchen Gründen man eine Übersetzung gut oder schlecht findet.

Für TraLaLit ist es auch nicht das wichtigste Kriterium für die Auswahl, ob die Übersetzung gut oder schlecht ist, sondern ob man genug darüber sagen und seine Meinung fundiert begründen kann. Nach dem Prinzip gehen wir auch bei der Auswahl der Gastautor*innen vor.

Julia: Wir erleben oft bei Gastautor*innen, dass sie davor zurückschrecken, ein Urteil zu fällen. Viele denken, dass sie selbst Übersetzer*in sein müssen oder eine andere derartige  Qualifikation mitbringen sollten, um Übersetzungskritik zu betreiben. Mein Eindruck ist, dass selbst die Literaturkritiker im Feuilleton sich Übersetzungskritik oft nicht zutrauen, eine Sprachkritik sollte aber auf jeden Fall Bestandteil der Rezension sein, unabhängig davon, ob man nun das Original gelesen hat oder nicht.

Freyja: Übersetzungskritik ist eben auch Sprachkritik. Wir haben das bei der Arbeit gelernt und schulen auch unsere Gastautor*innen in dieser Richtung. Außerdem besteht manchmal der Anspruch an eine Objektivität, die so gar nicht möglich ist, denn jemand anders würde die gleiche Übersetzung vielleicht ganz anders beurteilen.

Wie reagieren denn Kolleg*innen, Leser*innen oder auch Verlage auf eure Rezensionen? Ärgert sich da schon mal jemand oder werden sie grundsätzlich positiv aufgenommen?

Freyja: Die Rückmeldungen sind sehr positiv. Bei den Verlagen haben wir ja meist mit den Pressestellen Kontakt und dort freut man sich grundsätzlich über Besprechungen, natürlich mehr über Lob und wir haben tendenziell mehr lobende als kritische Rezensionen, weil wir mit Kritik auch sehr vorsichtig sind.

Julia: Manchmal setzen unsere Leser*innen, die sehr genau mitlesen, in den Kommentaren zu den Beiträgen sogar die Übersetzungskritik fort. Wir merken, dass viele uns wahrnehmen und auch ernst nehmen. Natürlich kommen hin und wieder kritische Kommentare, aber die sind letztlich sehr wertvoll, denn wir haben TraLaLit ja mit der Absicht begonnen, Leute ins Gespräch über Übersetzungen zu bringen und Input dazu zu geben. Der Text soll Ausgangspunkt für eine Debatte sein oder diese weiterführen.


Wie läuft denn bei euch die Redaktionsarbeit ab, ihr seid ja nicht an einem Ort, wie organisiert ihr euch, wie wird zum Beispiel die Arbeit verteilt? Und wie entsteht so ein Beitrag?

Freyja: Das Internet macht uns natürlich Vieles leichter. Ich sehe es als großen Vorteil, dass jeder von überall mitarbeiten kann. Wir saßen tatsächlich nur ein Mal ganz am Anfang „am Küchentisch“, um das Projekt zu planen. Meist kommunizieren wir online und haben einmal wöchentlich eine Redaktionssitzung. Wir planen die Beiträge oft länger im Voraus, so ein, zwei Monate und teilen uns die Arbeit auf, sodass unterschiedliche Bereiche von unterschiedlichen Personen betreut werden.

Julia: Fast die Hälfte unserer Beträge stammt von Gastautor*innen. Wir haben auf unserer Seite ausgeschrieben, welche übersetzten Bücher wir spannend finden, aber als Redaktion aus Zeitgründen nicht rezensieren können. Oft suchen sich Gastautor*innen Bücher von der Liste aus. Aber wir bekommen auch viele allgemeinere Anfragen von Leuten, die gern in irgendeiner Form mitmachen möchten. Die Autor*innen werden redaktionell betreut, es gibt enge Absprachen mit uns, daher dauert es in der Regel ein paar Wochen, bis ein Beitrag online ist, denn wir wollen gute Inhalte präsentieren.

Ihr plant ja lange im Voraus, deshalb meine letzte Frage: Was haben wir denn in nächster Zeit Neues von euch zu erwarten?

Julia: Im Herbst startet eine neue Reihe, „Mein erstes Mal“, in der Übersetzer*innen über ihre erste große Übersetzung oder ihren ersten Übersetzungsauftrag schreiben. Damit wollen wir Einblicke in die übersetzerische Arbeit geben und zeigen, wie man überhaupt Literaturübersetzer*in wird.

Freyja: Zusätzlich zu unserem Magazin haben wir auch eine  Veranstaltungsreihe begonnen, „TraLaLiest“, eine von Lisa Mensing initiierte Leserunde. Dafür wählen wir aus den aktuellen Verlagsprogrammen spannende Übersetzungen und fordern unsere Leser*innen auf, sie zu lesen und dann mit uns und den Übersetzenden in einer Leserunde darüber zu sprechen. Ende Oktober kommt Andreas Jandl in die Runde, einen Monat später Anne Weber.

Die Leserunde ist eine schöne Gelegenheit, mit Leuten ins Gespräch zu kommen, die keinen übersetzerischen Hintergrund haben und das Buch einfach lesen. Und es ist natürlich spannend, wenn der Übersetzer oder die Übersetzerin dabei sind, denn die haben das Buch ja am genauesten gelesen und können viel dazu erzählen.

Hier geht es zu TraLaLit 

K.S.

 

 

 

 

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