Quelle: Frank Weigand

Primeurs Plus und Plateforme – zwei digitale Premieren beim Festival Primeurs 2021

Vom 18. Bis 20. November 2021 fand in Saarbrücken und im französischen Forbach das 15. Festival PRIMEURS statt.

Frank Weigand, selber Theaterübersetzer aus dem Französischen und Kulturjournalist und seit dreizehn Jahren als Übersetzer beim Festival Primeurs engagiert, berichtet im Interview über 15 Jahre Festivalgeschichte und die digitalen Premieren: das  online Symposium PRIMEURS PLUS und die Website PLATEFORME.  

 

Ein Festival, auf dem ausschließlich Premieren frankophoner Theaterstücke in deutscher Übersetzung gezeigt werden, ist ja schon per se etwas Besonderes. Dass es nun bereits zum 15. Mal stattfand, spricht für den Erfolg des Konzepts. Wie kam es zu dieser Idee und wie hat sie sich im Lauf der 15 Jahre entwickelt?

Auslöser für die Idee war zweifellos die grenznahe Lage Saarbrückens zu Frankreich. Anette Kührmeyer vom Saarländischen Rundfunk, die als Hörspielchefin schon seit Jahren französische und frankophone Theatertexte für das Radio adaptiert hatte, nutzte die Gelegenheit, als 2007 ein neues Team das Saarländische Staatstheater übernahm, gemeinsam mit der Theaterdramaturgie, dem Institut français und dem Le Carreau, einem Theater im nur 15 Kilometer entfernten französischen Forbach, gemeinsam das Konzept für ein Festival zu entwickeln, in dem es hauptsächlich um das Präsentieren von Texten ging. Das Programm wurde von den Partnern gemeinsam zusammengestellt. Ein wichtiger Punkt war, dass keine Produktionslogik dahinterstehen musste, also auch Texte ausgewählt werden konnten, die vermutlich nur wenig Chancen hatten, vom deutschen Stadttheater produziert zu werden. Ursprünglich lag die Initiative stark auf deutscher Seite, inzwischen sind auch die französischen Partner aktiver geworden. Nachdem früher fast das gesamte Festival in Saarbrücken stattfand, gab es diesmal zwei komplette Abende (von insgesamt vier) am Carreau in Forbach.

Bei den Premieren handelt es sich ja um die deutschen Übersetzungen der Theaterstücke, die beim Festival PRIMEURS vorgestellt werden. Welche Rolle spielen das Übersetzen und die Übersetzenden, also die deutschen „Stimmen“ der frankophonen Autor*innen, im Rahmen des Festivals?

PRIMEURS war eines der wenigen Festivals, das von Anfang an die essentielle Rolle der Übersetzer:innen erkannte und auch stets alle Beteiligten für die gesamte Festivaldauer einlud – und vor allem pro Jahr auch mindestens zwei Übersetzungsaufträge vergab. Während zum Anfang die Übersetzungen noch eher wie fertige Produkte präsentiert wurden, gab es im Laufe der Jahre immer mehr Formate, die den Prozess des Übersetzens auch für ein Publikum öffneten. Punktuell wurden immer wieder Publikumsworkshops organisiert, im Rahmen des Projekts Echt absolut erarbeitete die Dramaturgin Corinna Popp mit dem Schüler:innenclub die Übersetzung eines Stücks der französischen Autorin Gwendoline Soublin, und in den Jahren 2017 und 2018 fand im Rahmen des Festivals die deutsch-französische Übersetzer:innenwerkstatt Transfert Théâtral statt, die ich gemeinsam mit meinen Kolleg:innen Leyla-Claire Rabih und Laurent Muhleisen leite.

PRIMEURS hat sehr viel für die Anerkennung der doch recht unsichtbaren Tätigkeit der Theaterübersetzung getan. Während es zunächst am Ende des Festivals einen Publikumspreis gab, bei dem das beste Stück und damit dessen Autor:in ausgezeichnet wurde, gibt es seit 2017 auch einen eigenen Übersetzer:innenpreis, der von einer Jury vergeben wird, die tatsächlich die übersetzerische Leistung bewertet und unabhängig von der Qualität des übersetzten Textes betrachtet.

In diesem Jahr gab es gleich zwei zusätzliche Premieren: mit dem Online-Symposium PRIMEURS PLUS und der soeben gestarteten digitalen PLATEFORME präsentierte sich das Festival jetzt zusätzlich digital. Hier stand das Übersetzen im Fokus. Wie wurde/wird dieses neue Angebot wahrgenommen und angenommen?

https://www.festivalprimeurs.eu/

Eigentlich ist das Festival bereits im vergangenen Jahr in die Digitalität gestartet, als Corona-bedingt alle Werkstattinszenierungen nur als Streaming ohne Publikum stattfinden konnten, und somit neue filmische Formate zur Präsentation der Texte erarbeitet werden mussten.

In diesem Jahr war es sehr wichtig, den Theater-Teil wieder analog vor Publikum zu präsentieren – aber gleichzeitig das Feld der Theaterübersetzung durch ein Online-Symposium zu untersuchen und teilweise das zu kontextualisieren, was auf der Bühne bzw. im Vorfeld bei der übersetzerischen Arbeit geschah. Neben den Vortragenden des Symposiums, das sich sowohl mit institutionellen, technischen und transkulturellen Fragen auseinandersetzte, konnten wir pro Tag um die 50 Teilnehmer:innen verzeichnen, die sich auch z.T. rege an den Diskussionen beteiligten. Generell war es schön, zu bemerken, dass Bereiche, die sonst eher als antagonistisch wahrgenommen wurden (Theaterverlage, Stadtheaterdramaturgie, Theaterwissenschaft etc.), ein großes Bedürfnis nach Dialog und Zusammenarbeit hatten

Auf der Internetseite PLATEFORME, die wir kurz vor Festivalbeginn lanciert hatten, wurde das Symposium mit journalistischen Texten begleitet. Bislang haben wir sehr gutes Feedback dafür bekommen. Für die Festivaltexte konnten wir pro Tag um die 400 Aufrufe verzeichnen. Das ist noch nicht gewaltig, aber ein guter Anfang.

Was genau ist PLATEFORME und für welche Zielgruppe ist sie gedacht?

PLATEFORME ist einerseits ein Online-Archiv, das 30 Jahre Übersetzung von Theatertexten aus dem Französischen erfasst und dabei besonders die Übersetzer:innen in den Vordergrund stellt. Die Texte sind mit Inhaltsangaben und Informationen zur Besetzung und eventuellen Uraufführung erfasst. Aus urheberrechtlichen Gründen dürfen wir die Textdateien nicht zur Verfügung stellen, doch wir geben die Kontakte an, bei denen sie bestellt werden können.

Dies macht einerseits längst vergessene übersetzerische Arbeit sichtbar (Theatertexte erscheinen ja fast nie in gedruckter Form), andererseits richtet sich das Angebot auch an Theaterdramaturg:innen, die hier gezielt nach noch nicht gespielten Texten suchen können. Eine Verschlagwortung (wie z.B. „Kolonialismus“, Familie“, „Algerienkrieg) erleichtert die gezielte Suche.

Auch für Forschungszwecke ist dieses Archiv interessant – und nicht zuletzt auch für junge Übersetzer:innen, die sich gerade mit bestimmten Themen beschäftigen und feststellen wollen, wie und von wem eine bestimmte Problematik vielleicht bereits vor 20 Jahren bearbeitet wurde.

Wie kam es zu der Idee, eine Datenbank speziell zur Übersetzung frankophoner Theatertexte plus Online-Magazin einzurichten? Welche Perspektiven gibt es?

Im Prinzip sollte man eine Datenbank für Theaterübersetzung aus allen Sprachen ins Deutsche einrichten. In Frankreich gibt es dafür die Maison Antoine Vitez, das Zentrum für internationale Theaterübersetzung in Paris. In meinem persönlichen Fall beschäftige ich mich eben schon seit 20 Jahren mit Übersetzungen aus dem Französischen und das Saarländische Staatstheater war dafür der ideale Partner. Das Interessante daran ist ja auch, dass der französische Sprachraum so komplex und heterogen ist, und ein solches Archiv auch viel über den Umgang mit post-kolonialen Fragen in den letzten 30 Jahren erzählt.

Neben der Archividee ging es auch darum, eine Community von Theaterübersetzer*innen herzustellen und zu direkten Kommunikation einzuladen. Gleichzeitig ist der Diskurs über Theaterübersetzung so wenig präsent, dass wir beschlossen, auch einen journalistischen Bereich auf unserer PLATEFORME einzubauen. (Ich bin ja selbst Übersetzer UND Kulturjournalist.) Die Idee ist hierbei, neben Hintergrundartikeln und Interviews auch Kritiken von Theateraufführungen in Auftrag zu geben, die den Aspekt der Übersetzung berücksichtigen, der sonst immer komplett vergessen wird. Wo Diskurs ist, ist auch mehr Aufmerksamkeit.

Die Dramaturgin Bettina Schuster-Gäb, die PRIMEURS und PRIMEURS PLUS von Seiten des Saarländischen Staatstheaters leitet und ich schreiben gerade an einem Antrag auf Fortsetzung der Förderung durch den Projektfonds des Deutschen Übersetzerfonds im Rahmen von „Neustart Kultur“, der eine Verstetigung der PLATEFORME ermöglichen soll und damit auch ein stärkeres Ineinandergreifen des Festivals Primeurs, des Symposiums, des Textarchivs und der Berichterstattung und Diskussion über den Umgang mit Theatertexten im Allgemeinen.

Quelle: Sara Weigand
Frank Weigand lebt als freiberuflicher Kulturjournalist und Übersetzer in Berlin. Sein Interesse gilt vor allem kollaborativen Übersetzungsprozessen und dem machtpolitischen Aspekt sprachlicher und kultureller Übertragung. In diesem Zusammenhang leitet er regelmäßig Übersetzer:innenworkshops in Deutschland, Frankreich und Kanada. Bislang hat er rund 140 Theaterstücke hauptsächlich französischer und frankophoner Dramatiker, mehrere Romane sowie Sachbücher aus den Bereichen Soziologie, Philosophie und Performancetheorie ins Deutsche übertragen. Außerdem übersetzt er Theatertexte aus dem Englischen, sowie im Tandem mit muttersprachlichen Kolleg:innen aus dem Rumänischen und Hebräischen. Gemeinsam mit der Regisseurin Leyla-Claire Rabih ist er Herausgeber der Theateranthologie „SCÈNE – neue französische Theaterstücke“ im Verlag Theater der Zeit. Er ist journalistisch für Medien wie Die Deutsche Bühne, Tanz, Theater der Zeit, taz, Die Welt, Berliner Morgenpost tätig und war Mitglied der Jurys des Haupstadtkulturfonds, der Spielstättenförderung und der spartenoffenen Förderung (City Tax) der Stadt Berlin.
 
B.E.
 
 
 
 
 

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