Miriam Mandelkow © Thomas Marek

Niemand behauptet, dass Literatur nicht wehtun darf – Von der Herausforderung des Übersetzens verletzender Wörter

In unserer Zeit und unserer Gesellschaft bemüht man sich zunehmend um einen korrekten Sprachgebrauch, um die Vermeidung diskriminierender, rassistischer bzw. generell verletzender Wörter. Der „politisch korrekte“ Umgang mit Sprache ist ein heiß diskutiertes Thema.

Politisch korrekte Sprache und Literatur

Wie geht man jedoch damit um, wenn die Literatur Wörter benutzt, die wir eigentlich aus der Sprache verbannen wollen? Wenn sie in Texten vorkommen, die in weiter zurückliegenden Epochen geschrieben wurden, als diese Art der Diskussion noch nicht stattfand und als die entsprechenden Wörter eventuell auch noch eine ganz andere Konnotation hatten?

Wie übersetzt man verletzende Wörter?

Gerade auch im Zusammenhang mit der Übersetzung literarischer Texte ist die Frage, wie man diskriminierende und verletzende Wörter übersetzt, vielfach ein zentrales Thema von Diskussionen.

Im November 2022 fand im Übersetzerhaus Looren ein ViceVersa-Workshop Englisch-Deutsch statt, in dem genau diese Frage in den Fokus rückte. Anhand eigener Projekte diskutierten die Teilnehmenden dieses brisante Thema.

Interview mit Miriam Mandelkow

Miriam Mandelkow, Co-Leiterin des ViceVersa Workshops, hat sich als Übersetzerin von James Baldwin sehr intensiv mit der Frage um die Übersetzung diskriminierender Wörter in literarischen Werken auseinandergesetzt.

Für das Blog des Übersetzerhauses Looren führte Janine Messerli ein sehr spannendes Interview mit Miriam Mandelkow zum Thema Übersetzen verletzender Sprache. In diesem Zusammenhang wird klar, wie sehr es beim Übersetzen von Literatur immer um Entscheidungen geht: Es geht weniger um Lösungsfindungen oder einen Katalog möglicher Antworten, sondern immer um Entscheidungen auf der Basis der eigenen Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Text.

Entscheidungen treffen

Miriam Mandelkow findet die Fixierung auf einzelne Wörter oder Begriffe in dieser Diskussion problematisch. Vielmehr legt sie dar, dass es immer ein „Gesamtpaket“ von Faktoren in einem Text ist, das Übersetzungsentscheidungen herbeiführt: In welchem Kontext steht ein Wort? Warum steht es da? Welche Absicht der Autorin oder des Autors steht dahinter? Will sie/er irritieren? Eine Betrachtungsweise vermitteln? Werden die Wörter in der Figurensprache benutzt? Sollen sie provozieren, verletzen – oder aber Verletzungen aufzeigen? Dies sind nur einige der Aspekte, mit denen Übersetzende sich auseinander zu setzen haben.

Komplexes Geflecht

Wer sich für das komplexe Geflecht an Überlegungen und Erwägungen interessiert, das schließlich zu Entscheidungen bei einer Übersetzung führt, dem empfehle ich die Lektüre dieses Interviews wärmstens!

Und übrigens: Ich denke, hier sind wir genau im Bereich von Fragen und Entscheidungen, bei denen KI, also Übersetzungssoftware wie DeepL oder Google, an ihre Grenzen stoßen muss…

B.E.

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