©Übersetzerzentrum Leipzig

Leipzig übersetzt – im Gohliser Schlösschen

Anfang Februar wurde die Leipziger Buchmesse zum dritten Mal in Folge abgesagt.

Aber allen Widrigkeiten zum Trotz:

Leipzig liest und übersetzt – gleichwohl!

Auch das Leipziger Übersetzerzentrum bietet am 18. März insgesamt vier Veranstaltungen zum Thema Literaturübersetzen. Sie finden von 11 h bis 17 h im suggestiven Ambiente des Gohliser Schlösschen statt.

Drei Fragen an die Organisator:innen des Leipziger Übersetzerzentrums, Maria Hummitzsch, Franka Reinhart und Thomas Weiler zum Programm am 18. März 2022:

Das Leipziger Übersetzerzentrum ist aus der Leipziger Buchmesse nicht mehr wegzudenken. Seit wann existiert es? Könnt ihr uns ein bisschen etwas darüber erzählen, wie ihr organisiert seid und arbeitet?

Das Übersetzerzentrum ist 2014 auf eine Initiative des VdÜ-Vorstands hin aus der Taufe gehoben worden. Wir haben bei Buchmessedirektor Oliver Zille mit diesem Ansinnen offene Türen eingerannt. Die Messe hatte unsere Zunft zwar auch vorher schon wohlwollend im Blick (etwa mit einem Übersetzerempfang oder einer eigenen Kategorie beim Preis der Leipziger Buchmesse). Aber seither bereitet sie uns diese wichtige Bühne mitsamt Infrastruktur, wo wir gebündelt Podien, Informatives und Interaktives rund ums Literarische Übersetzen anbieten können. Für diese konstant gute Zusammenarbeit sind wir sehr dankbar.
Das Zentrum sind im Grunde wir drei Leipziger Kolleg:innen mit unseren Ideen und Verbindungen zur Messe, zu „Leipzig liest“, zu VdÜ, DÜF, Weltlesebühne, Freundeskreis und weiteren Partnern, es materialisiert sich aber nur zur Buchmesse. Die Hauptarbeit läuft allerdings übers Jahr verteilt mit inhaltlicher Konzeption, Anfragen an Podiumsgäste, Kalkulation, Hotelbuchungen, Öffentlichkeitsarbeit und ganz viel Kommunikation und Abstimmung untereinander und in alle möglichen Richtungen. Die eigentlichen Messetage sind für uns dann ein Fest – und für alle Beteiligten bestenfalls auch.

Alternativen statt Gewissheiten

 Es heißt, dass am 18. März ein alternatives Programm zum ursprünglich für 2022 geplanten stattfinden wird. Inwiefern ist es ein alternatives Programm? Welche Thematiken kann euer Publikum erwarten?

Wir haben in den vergangenen Jahren noch stärker als zuvor gelernt, zu improvisieren und in Alternativen zu denken. Gewissheiten konnte es bei unserer Planung, die naturgemäß viel Vorlauf erfordert, kaum noch geben, da Schutzverordnungen und Inzidenzzahlen sich in sehr kurzen Zeiträumen ändern. Nach zwei Jahren ohne Buchmesse und Lesefestival „Leipzig liest“ (unsere fertigen Programme mussten wieder in der Schublade verschwinden), haben wir uns umso mehr auf 2022 gefreut. Zumal das Messeteam, die Stadt und das Land alles dafür getan haben, dass die Buchmesse stattfinden kann. Das Ergebnis ist bekannt.
Alternativ ist unser jetziges Programm insofern, als es nicht wie gewohnt in den Messehallen stattfindet, sondern eingebunden ins Lesefestival im schmucken Gohliser Schlösschen, konzentriert auf den Messefreitag. Auf mehrere geplante Veranstaltungen, etwa die Verleihung der REBEKKA an Maike Dörries, mussten wir schweren Herzens verzichten. Sämtliche Veranstaltungen werden wir in Ton und Bild mitschneiden lassen, um sie im Nachgang auch Interessierten zugänglich zu machen, die aus Platz-, Gesundheits- oder Termingründen nicht vor Ort sein können. Wir haben „Klassiker“ im Programm wie das Podium mit Gästen des Internationalen Übersetzertreffens am LCB und das Gespräch mit dem oder der frischgebackenen Träger*in des Preises der Leipziger Buchmesse (diesmal mit Jan Kuhlbrodt als Gegenüber), wollen aber auch wieder aktuellen Fragen nachspüren, die uns gerade wichtig erscheinen. Olga Radetzkaja, Katharina Raabe und Karen Nölle diskutieren über Übersetzen und gerechte Sprache, außerdem holen wir Übersetzerkolleginnen aus dem Ukrainischen, Russischen und Belarussischen an einen Tisch.

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Die Geschehnisse der letzten Wochen haben euch veranlasst, das Programm kurzfristig zu aktualisieren. Ihr eröffnet den Tag mit einer Veranstaltung der Weltlesebühne: „Sprachen in der Kampfzone“. Ein schwieriges und komplexes Thema. Übersetzung verbindet, vermittelt, schlägt Brücken zwischen Kulturen. Aber kann Kultur und Literatur und in diesem Zusammenhang speziell Übersetzung auch in Zeiten extremer Konflikte eine vermittelnde Rolle spielen?

Diese Veranstaltung kam innerhalb kürzester Zeit in enger Abstimmung mit der Weltlesebühne zustande. Eigentlich hatten wir auf diesem Programmplatz ein lange geplantes Podium zum Übersetzen in der DDR angesetzt, das wir schon mehrfach verschieben mussten. Als die Podiumsgäste uns vor einigen Tagen signalisiert haben, sie könnten angesichts des Krieges in der Ukraine nicht einfach an diesem Thema festhalten, mussten wir reagieren. Wir sind froh und glücklich über die große Flexibilität aller Beteiligten, die diese Aktualisierung erst möglich gemacht hat.

Vermittlungskompetenzen

Ein schwieriges und komplexes Thema haben wir uns vorgenommen, in der Tat. Aber ist es nicht unverzichtbar in dieser verfahrenen Lage? Wo allenthalben Brücken abgebrochen, Begriffe umgedeutet, Sprachen vereinnahmt und Boykotte verhängt werden, sind wir mit unserer Expertise, unserem feinen Gehör, unseren kritischen Nachfragen und unseren Vermittlungskompetenzen doch in besonderer Weise gefordert. Mit Sebastian Guggolz konnten wir für unser Podium einen Verleger gewinnen, der seit Jahren ostwärts schaut und Übersetzungen aus dem Belarussischen, Ukrainischen und Russischen im Programm hat. Gut möglich, dass wir am Ende mit mehr Fragen als Antworten aus dieser Veranstaltung gehen werden. Aber diese Fragen sollten wir uns zumuten.

B.E.

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