Literaturübersetzung im Fokus auf der Messe und bei anderen Veranstaltungen in Frankfurt
The translator is present, hieß es nicht nur in Halle, wo die Kolleginnen ein dreiwöchiges Programm zum Internationalen Tag der Übersetzung auf die Beine gestellt haben. Mehr dazu hier. Und demnächst eine Nachlese auf dem Blog.
Schon beim Durchsehen des Programms der Frankfurt Buchmesse 2025 fiel eines auf: Nicht nur im von Julia Rosche und Lisa Mensing (tralalit) und Henrieke Markert (VdÜ) kuratierten Zentrum Wort waren zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Literaturübersetzen angekündigt.
Auch auf anderen Bühnen auf und außerhalb der Messe beschäftigte man sich mit dem Thema. Ein umfassender Überblick über die Veranstaltungen findet sich auf dieser Seite des VdÜ. Die Weltlesebühne war ebenfalls mit zwei Veranstaltungen dabei.
Bekommen wir Literaturübersetzer*innen tatsächlich mehr Sichtbarkeit? Zwei Faktoren trugen auf der diesjährigen Messe dazu bei: Einerseits war die Frage „Was kann KI in der Literatur?“ omnipräsent und da ist man schnell bei der Übersetzung.
Andererseits hatte man mit der Übersetzerin Annette Hug einen wohl besonderen Fall: Wer von uns kann schon behaupten, die einzige Person zu sein, die aus einer Sprache Literatur übersetzt? In ihrem Fall einer Sprache des Gastlands der Buchmesse Philippinen, dem Tagalog (Filippino).
Annette Hug war ein begehrter Gast bei Veranstaltungen und in zahlreichen Interviews, in denen das Übersetzen aus dieser Sprache eine wichtige Rolle spielte. Wie in diesem Interview in der taz. Und im WDR.
Meine WLB-Kollegin und Übersetzungstandempartnerin Barbara Neeb und ich waren auf und außerhalb der Messe unterwegs und haben Eindrücke gesammelt. Unter anderen zu Veranstaltungen zum Literaturübersetzen. Zum Auftakt saß Barbara als Diskussionspartnerin sogar auf der Bühne:
Im vom BDÜ organisierten Panel „Übersetzung im Wandel“ diskutierten sie und Übersetzerkolleginnen Marta Pagans und Ricarda Essrich über die Herausforderungen für Übersetzung im Allgemeinen und Literaturübersetzung im Besonderen, die die Zukunft nicht nur durch die KI, sondern auch durch seit 20 Jahren stagnierende Preise bringt.
(v.l.n.r: Marta Pagans, Ricarda Essrich, Barbara Neeb, Astrid Suding (BDÜ, Moderation))

Traditioneller Programmpunkt am Messemittwoch: Die Verleihung der Übersetzerbarke des VdÜ an eine Person, die sich für die Belange der Literaturübersetzenden einsetzt: 2025 erhielt Thomas Hummitzsch den Preis. Der Literatur- und Filmkritiker richtet in seinen Rezensionen stets ein Augenmerk auf die Übersetzung und die wichtige Rolle der Literaturübersetzenden. In seiner Rede forderte er seine Kolleg*innen in den Medien nachdrücklich auf, Literaturkritik auch als Übersetzungskritik zu sehen.( von l.n.r.: Marieke Heimburger (1.Vorsitzende VdÜ, Thomas Hummitzsch, Bettina Bach, Karin Uttenhöfer (Jury Übersetzerbarke)

Seit etwa einem Jahr hat auch der BDÜ Bayern seinen Podcast „Translation Treasures“. Lisa Neuhaus und Nina Frühbeißer interviewen Übersetzer*innen und bringen spannende Geschichte aus der Welt der Übersetzung. In einer neuen Folge über die Frankfurter Buchmesse haben sie neben Riccarda Essrich, Lisa Kögeböhn und Justus Carl auch Kollegin Barbara Neeb auch befragt.
v.l.n.r.: Barbara Neeb, Lisa Neuhaus

Anlaufstelle nicht nur für Literaturübersetzende, Treffpunkt zum Netzwerken und Veranstaltungsort auf der Messe ist das Zentrum Wort. Dort hat der VdÜ jedes Jahr eine Infotheke, an der Kolleginnen Fragen zum Literaturübersetzen beantworten und Infomaterial verteilen. Heißbegehrt diese Sticker wie z.B. #namethetranslator oder „kongenial übersetzt“


Am Messedonnerstag trafen sich Übersetzer*innenteams zum Pubquiz des BDÜ. Manuela Kniessl stellte herausfordernde Fragen zu Übersetzung und Sprachen mit großem Lernfaktor. Die Teams kämpften mit viel Spaß und Ehrgeiz um den Sieg.

Hier eine Veranstaltung außerhalb der Messe: Im Massif central im Bethmannhof stellte Übersetzerin und Kulturmittlerin Veronika Siska ihren neuen Allee Verlag vor. Dort veröffentlicht sie ausschließlich Übersetzungen aus europäischen Sprachen, die in der deutschen Verlagslandschaft unterrepräsentiert sind. Die ersten beiden Romane sind bereits erschienen: Michal Ajvaz: Die andere Stadt (Aus dem Tschechischen von Veronika Siska) und Mattias Timander: Dein Wille wohnt in den Wäldern (Aus dem Schwedischen von Hanna Granz).
v.l.n.r.: Elna Linsdgens, Mattias Timander, Veronika Siska

Zwischendurch ein kurzer Blick in den Gastlandpavillon der Philippinen: Eine leichte Architektur aus traditionellen Materialien präsentierte das, worum es auf der Messe geht, Bücher und Menschen, die sie schreiben. Vielleicht nicht soviel fürs Auge wie in den Vorjahren, aber ein gutes Konzept.

Noch einmal eine Literaturübersetzerin mit eigenem Verlag am Messefreitag: Auf der Leseinsel der unabhängigen Verlage präsentierte Monika Lustig (Edition Converso) gemeinsam mit der Übersetzerin des Buches, Claudia Steinitz, den Erzählungsband „Auf einem dünnen Seil“ von Belinda Cannone. Edition Converso veröffentlich ausschließlich Übersetzung aus Sprachen rund um den Mittelmeerraum.
(V.l.n.r.: Monika Lustig, Belinda Cannone, Claudia Steinitz)

Um Wortakrobatik der besonderen Art ging es am Freitagnachmittag im Zentrum Wort: Wie übersetzt man Erotik? Sexszenen findet man in allen Genres der Literatur, gehören also zum Alltag von Übersetzer*innen. Welche Herausforderungen stellen sich z.B. in Bezug auf Begrifflichkeiten für Penis o. Ä. und wie übersetzt bzw. erzeugt man Sinnlichkeit? Auf jeden Fall wurde viel gelacht. Andreas Donat und Lisa Kögeböhn erzählten aus der Praxis, moderiert wurde das Gespräch von Lisa Mensing. V.l.n.r.: Lisa Mensing, Andreas Donat, Lisa Kögeböhn

Am Samstag war die Weltlesebühne mit einem interessanten und äußerst gutbesuchtem Praxisversuch auf der Bühne des Zentrums Wort zu Gast: Die Übersetzer aus dem Englischen Ingo Herzke und Cornelius Hertz überprüften live vor Publikum, ob KI wirklich Literatur übersetzen kann, vielleicht auch effizienter als der Mensch? Beide übersetzten jeweils die gleiche Passage aus Agatha Christies “ The Murder of Roger Ackroyd“, der eine auf „traditionelle“ Weise, der andere mithilfe von DeepL. Moderiert von Übersetzerin Karin Betz erklärten sie ihr Vorgehen, zeigten Fallstricke auf und diskutierten mit dem Publikum. Das Ergebnis war eindeutig: KI kann keine Literatur übersetzen! (V.l.n.r.: Karin Betz, Cornelius Hertz, Ingo Herzke)


Rund um die Messe gab es noch mehr Veranstaltungen, bei denen Literaturübersetzung das Thema war oder Literaturübersetzer*innen auf der Bühne standen. Etwa in der Buchhandlung Weltenleser, in der Deutsch-Italienischen Vereinigung (mit einer Veranstaltung der Weltlesebühne zum Graphic Novel übersetzen), auf der Leseinsel der unabhängigen Verlage oder auf der Frankfurt International Stage, um nur einige zu nennen. Zumindest in Frankfurt gilt: Literaturübersetzende werden sichtbar!
Fotos: Barbara Neeb/Katharina Schmidt
K.S.


