Die Literaturübersetzerin Helga Pfetsch ist seit fünf Jahrzehnten fünf Jahrzehnten eine feste Größe innerhalb des Literaturbetriebs. Auf wen, wenn nicht auf sie, würde die Idee eines „Urgesteins“ besser zutreffen?
Kürzlich feierte sie ihren 80. Geburtstag und ist nach wie vor sehr engagiert für die Sache der literarischen Übersetzung und ihrer Akteur*innen.
Eine Karriere über fünf Jahrzehnte
Seit 1976 arbeitet Helga Pfetsch als Übersetzerin von englischsprachiger Literatur. Sie übertrug u.a. Werke von Toni Morrison und Doris Lessing sowie Margaret Atwood, Saul Bellow sowie Don DeLillo. Auch Alice Walkers „Die Farbe Lila“ übersetzte sie ins Deutsche.
Helga Pfetsch ist Übersetzerin aus Leidenschaft. Darüber hinaus hat sich auch für die Situation und den Beruf von Übersetzenden aktiv eingesetzt: Sie war u.a. Vorsitzende des Verbands deutschsprachiger Übersetzer*innen literarischer und wissenschaftlicher Werke e.V., kurz VdÜ und Präsidentin des Freundeskreises zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen e.V.
Zusammen mit Rosemarie Tietze, Friederike Hausmann und Burkhart Kroeber gründete sie im Jahr 2021 die GmbH „WortErben“, die Literaturübersetzende dabei unterstützt, wie übertragene Urheberrechte über den Tod hinaus genutzt und gewahrt werden können.
Preisgekrönt
Für ihr umfangreiches Schaffen wurde Helga Pfetsch mit mehreren Preisen ausgezeichnet. 1992 erhielt sie für ihre künstlerische Arbeit den Literaturpreis der Landeshauptstadt Stuttgart und 2005 den Heinrich Maria Ledig‐Rowohlt‐Übersetzerpreis.
Außerdem wurde sie für ihre berufs‐ und kulturpolitische Arbeit 2008 mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
Beate Frauenschuh, aktuelle Präsidentin des Freundeskreises zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen e.V., hat Helga Pfetsch anlässlich ihres 80. Geburtstags besucht. Meine Kollegin Barbara Neeb, die den YouTube-Kanal der Weltlesebühne betreut, hielt den Besuch in einem halbstündigen Video fest. Es hat seinen Platz unter anderen Interviews mit „Preisgekrönten Häuptern der Übersetzungskunst“ gefunden. Es folgt Barbara Neebs Bericht von den kurzweiligen Dreharbeiten zuhause bei Helga Pfetsch.
B.E.
„Making of“ mit Tomaten-Tarte
von Barbara Neeb
Heidelberg, Anfang Oktober, ein wunderschöner sonniger Herbsttag. Helga Pfetsch empfing Beate Frauenschuh und mich zum Interview. Da wusste das zukünftige Geburtstagskind noch nicht alles über das geplante Video. Nur, dass der Freundeskreis zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen e.V. es eine gute Idee fand, dass zu ihrem 80. Geburtstag ein Video mit ihr auf dem Kanal der Weltlesebühne erscheinen sollte. Dem sie vor allem eingedenk eines Mottos von Ursula Brackmann, ihrer Vorgängerin im Vorstand des VdÜ, zugestimmt hat: „Wenn es eine Möglichkeit gibt, Öffentlichkeit fürs Literaturübersetzen zu schaffen, dann muss man diese Gelegenheit ergreifen.“
Ein ausgezeichnetes Motto finde ich und so hatte ich mir trotz anstehender Buchmesse einen Termin zum Filmen freigeschaufelt. Beate Frauenschuh holte mich vom Bahnhof ab und dann ging es hinaus und vor allem hinauf nach Ziegelhausen, wo Helga wohnt.
Bald war in dem schönen Haus am Hang ein passender Ort zum Drehen gefunden, in dem die beiden dann dieses aufschlussreiche Gespräch führten. Eins liebe ich ja an diesen Porträts für die Reihe „Preisgekrönte Häupter der Übersetzungskunst“: Die Kolleginnen und Kollegen haben immer so viel Spannendes zu erzählen, es ist erstaunlich, wie die Lebenswege verlaufen – so ähnlich und doch so anders. Helga hätte über ihr wirklich beeindruckendes Oeuvre und ihr vielseitiges und langjähriges Engagement für die Übersetzenden von Literatur bestimmt noch viel erzählen können – aber ich hatte als zeitliches Limit „um die zwanzig Minuten“ genannt und Beate schaffte es, mit ihren geschickten Fragen diese Vorgabe einzuhalten.
So waren wir schneller fertig als gedacht und konnten die leckere Tomaten-Tarte genießen, die uns die Hausherrin servierte.
Postediting mit Gratulant*innen
Danach war bei mir erst mal Buchmesse angesagt (Ehrengast Italien mit einer eigenen Videoreihe auf unserem YouTube-Kanal!). Nach und nach trudelten nun Grußbotschaften ein. Denn was Helga noch nicht wusste: Petra Bös hatte einige Weggefährt*innen angesprochen, die gerne einen Videogruß – sogar aus dem fernen Marrakesch – beisteuerten. Einige Fotos von den Preisverleihungen konnte sie auch noch schicken, andere fanden sich zu meiner eigenen Überraschung auf meiner Festplatte (Ich hatte mal Material zu den Anfängen des Wolfenbütteler Gesprächs gesammelt …)
Das Postediting des Materials war also auch ein Vergnügen. Und es hat mich sehr gefreut, von Helgas „freudigen Schockmomenten“ zu hören, als liebe Menschen sie aus dem Video persönlich grüßten und mit den Fotos schöne Erinnerungen geweckt wurden.
Das Interesse am Video ist ungebrochen – wir steuern die 500 Aufrufe an. Kein Wunder bei einem so reichen Übersetzerinnenleben!
Helga schickte nach ihrem Geburtstag in einer Mail, in der sie allen Beteiligten ihren Dank und ihre Freude ausdrückte, noch einen Spruch, der einfach nur aufbauend ist und den ich hier gerne teile: „Und wenn Ihr mich fragt, wie es ist, 80 zu werden, dann kann ich nur sagen: großartig!“