Das Bild vom Literaturübersetzer, der zurückgezogen in seinem Arbeitszimmer an der Schreibmaschine sitzt und, umgeben von Wörterbüchern und anderen Nachschlagewerken, über kniffeligen Sätzen schwitzt, ist inzwischen ein Anachronismus. Computer und Digitalisierung haben den Arbeitsalltag von Übersetzenden sehr verändert. Vor allem aber sind sie immer besser vernetzt. Zusammenschlüsse wie z.B. der VdÜ oder auch unser Verein Weltlesebühne e.V., öffentliche Auftritte und Veranstaltungen, Präsenz in den Übersetzungszentren der Buchmessen sowie digitale Portale rund ums Übersetzen sorgen für zunehmende Sichtbarkeit und Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.
Rebekka – Übersetzungspreis für langjähriges Übersetzen
Dennoch gibt es eine große Gruppe von Literaturübersetzenden, die über Jahrzehnte „gut, begeistert, beharrlich und häufig schlecht bezahlt Belletristik und Sachbücher übersetzen und trotz ihrer langen Titelliste zu wenig beachtet werden“. Ihre Übersetzungen finden in den Feuilletons meistens kaum oder gar keine Aufmerksamkeit: Sie übersetzen vor allem gute und gehobene „Unterhaltungsliteratur“, aber eben keine „Hochliteratur“. Dennoch sorgen ihre oft auflagenstarken Übersetzungen für die Umsätze, die es vielen Verlagen erst möglich machen, die Übersetzung von Werken in ihren Katalog aufzunehmen, die zwar zur Hochliteratur gerechnet werden, aber kommerziell betrachtet weniger erfolgreich sind. Dazu gehören u.a. auch Nischengenres wie Lyrik oder Philosophie.
Diese Übersetzerinnen und Übersetzer prägen die heutige Literatur- und Kulturlandschaft nachhaltig. Um ihre Arbeit und ihr Engagement zu würdigen, lobt der Freundeskreis zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen e.V. einen besonderen Preis aus: die Rebekka.
Vier Haiku für Rebekka
Zu dieser Gruppe zählt auch der Übersetzer Malte Krutzsch: Seit 1978 übersetzt der studierte Pädagoge und Kommunikationsforscher Kriminalromane, Romane, Essays und Erzählungen aus dem Englischen und Amerikanischen. Die Liste der von ihm übersetzten Autoren ist lang: Etwa zwanzig Romane von Dick Francis finden sich darauf, aber auch Werke von Woody Allen, Josh Bazell, James Hadley Chase, Bill Clegg, Michel Faber, Felix Francis, Reif Larsen, James Meek, Joseph O’Connor und Steven Price.
2025 wird er für seine unermüdliche Arbeit mit der Rebekka ausgezeichnet. Die Jury bescheinigt ihm „großes Gespür für die jeweilige Autorenstimme sowie sprachliche Sensibilität und Souveränität“, wobei er „die Sprache des intellektuellen New Yorks ebenso wie die des britischen Pferderennsports und so unterschiedliche Register wie die eines Charles Bukowski und einer Ruth Rendell“ beherrscht.
Als Antwort auf die Nachricht über diese Auszeichnung schrieb Malte Krutzsch an den Freundeskreis zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen e.V. „Vier Haiku für Rebekka“:

Die Preisverleihung fand am Freitag, 28. März 2025 im Übersetzungszentrum der Leipziger Buchmesse statt.
Zu Besuch bei Malte Krutzsch
Der Freundeskreis beauftragte unsere WLB-Kollegin Barbara Neeb, ein Video zu drehen. Und so fuhr sie dann gemeinsam mit Karen Nölle nach Monreal in der Voreifel und besuchte dort Malte Krutzsch in seinem malerischen Anwesen.

©Barbara Neeb (Screenshot DWLB)
Karen Nölle, Mitglied im Vorstand des Freundeskreises und ehemalige Präsidentin, hatte ein Interview mit dem Preisträger geplant. Doch erwies sich das als nicht ganz einfaches Unterfangen: Denn Malte Krutzsch entspricht in vielem jenem anachronistischen Bild des Literaturübersetzers: In einer idyllischen Umgebung, aber fernab vom Schuss, umgeben von Unmengen von Büchern, darunter zahlreiche, noch unausgepackte Kartons mit Belegexemplaren der „gar nicht so vielen“ (O-Ton Malte) übersetzten Titel sowie vielen Gegenständen, die sich wohl mit den Jahren angesammelt haben, widmet er sich hier seiner Arbeit – mit Herzblut und Leidenschaft.

©Barbara Neeb (Screenshot DWLB)
Doch das Aufkreuzen eines „Filmteams“ samt Interview-Situation wirbelt seinen sonst ruhigen Alltag kräftig durcheinander. Im spontanen Gespräch fällt es ihm dann nicht leicht, die Worte zu finden, die ihm bei seiner Arbeit sonst aus der Feder fließen, (im übertragenden Sinn, versteht sich, natürlich benutzt Malte einen Computer) – die Kamera, die ihn beobachtet, ist ungewohnt.

©Barbara Neeb (Screenshot DWLB)
Doch bieten sowohl das Haus samt Besitzer sowie die Umgebung so viel an Bildern und Eindrücken, dass der kameraaffine Blick von Barbara Neeb eine Menge an Material einfängt. Daraus hat sie schließlich ein wunderbar poetisches Porträt des Übersetzers und Rebekka-Preisträgers entstehen lassen. Maltes „Vier Haiku für Rebekka“ ergeben die „Kapitel“, die mit den Bildern und Gesprächssequenzen angefüllt werden.
Dieses einmal ganz andere Preisträger-Video hat mich persönlich sehr berührt: Sehr liebevoll „komponiert“ zeigt es uns einen Übersetzer der „Alten Schule“, der beispielsweise jedes einzelne Buch zunächst sehr gründlich liest, es sich einverleibt, bevor er seine Übersetzung schreibt. Die ruhige, beinahe meditative Musik von F.C. Heywang trägt die Impressionen sehr behutsam. Unbedingt sehenswert – und zwar hier.
B.E.