Cafè Ü- in Freiburg übersetzt -Festival, Ausstellung, Digitales (19.9. – 30.9.21)

Ein Interview mit dem Festivalleiter Jürgen Reuß

„In Freiburg haben wir eine gut vernetzte Übersetzendenszene“, sagt Jürgen Reuß, die auch ihm sehr kollegial beim Einstieg ins Übersetzen geholfen hat.

Die Idee und das Konzept zum Festival Cafè-Ü, sind die auch aus der gut vernetzten Freiburger Übersetzendenszene gewachsen oder wie kam es dazu?

Also, ich hatte gesehen, dass der Übersetzerfonds nochmal diese Förderungen zu Neustart Kultur ausschreibt und gedacht, das passt ja wie die Hand in den Handschuh, wenn man da ein Café Ü im Literaturhaus macht, in dem man Übersetzende mit allen Facetten präsentiert, die der Beruf hat, die Freiburger Kolleg*innen, und das Ganze vernetzt mit der Gesamtszene der Übersetzenden.

Ich habe dann mit dem Literaturhaus gesprochen, mit dem wir traditionell sehr verbunden sind. Das Literaturhaus ist hier in Freiburg ein Verein, der paritätisch aus Autoren und Autorinnen und Übersetzern und Übersetzerinnen besteht. Natürlich kommen die Gelder von Stadt und Land, aber es ist „unser Haus“. Martin Bruch, der Leiter, war gleich sehr angetan von der Idee, hat den Antrag unterstützt und die Freiburger Übersetzendenszene macht super mit.

Manchmal muss man so ein bisschen anschieben, weil da nicht jeder von sich aus gleich sagt, ich geh auf die Bühne. Und trotzdem hat sich da jetzt ein Team von rund fünfzehn Leuten gefunden, die aktiv mitmachen und sich auch präsentieren werden. Und das ist für eine Stadt wie Freiburg ja total viel.

Wenn du jetzt sagst, fünfzehn Leute aus der Freiburger Szene, wer ist denn das Festivalteam, ist das wirklich eine große Gruppe oder seid ihr eher ein Kernteam von drei oder vier? Wer sind denn die Macher*innen des Festivals?

Es gibt eine konzeptionelle Leitung, das bin ich in enger Absprache mit der Freiburger Ü-Szene, und eine organisatorische, das macht Frederik Skorzinski vom Literaturhaus. Und dann haben wir das Glück, dass es im Literaturhaus schon ein Team gibt:
Angefangen vom Grafiker Andreas Töpfer, der unter anderem unsere Festivalzeitung entworfen hat, die man sich von der Website runterladen kann, mit Marek Krajewski von tuxwerk einen, der die Zeitung und mehr online-fähig gemacht hat, den Szenographen Jens Burde, der das Literaturhaus für Ausstellungen verwandelt – und jetzt für das Festival das Haus in ein „Cafè-Ü“, Und wir haben mit Marc Doradzillo einen Filmer für unsere Porträtclips. Nun sind wir gespannt, wie das alles ineinander greifen wird.
Für die inhaltliche Ebene haben wir dann geguckt, wer ist interessiert, wer macht was, und haben das dann in einzelne Arbeitsgruppen aufgeteilt, z.B. eine AG „Knobelparcours“. Eine andere AG kümmert sich um die Organisation der der Clips über ein Dutzend Übersetzende , die jetzt auch auf der Website zu sehen sind.

Zu den Clips habe ich noch eine Frage: Habt ihr einen eigenen youTube-Kanal?

Das Literaturhaus hat einen eigenen Kanal, der in die Café Ü Website eingebettet wird.

Da kommen wir zu den weiteren Formaten, was läuft noch während des Cafè-Ü?

Außer den Clips haben wir an 12 Tagen mindesten eine Veranstaltung, meist mehrere. Das ist auch für das Haus ein Riesending, das zu stemmen: eine Ausstellung, in der man Einblicke bekommt in den Alltag der Übersetzenden, mit vielen Exponaten, wie z. B. Manuskripte der Übersetzer*innen, sodass sie dort die Aura bekommen, die sie verdienen.
Manche Originals sind so wertvoll, das die entsprechende Person nur Reproduktionen zur Verfügung stellt, weil sie zu viel Angst darum hat. Überall gibt es etwas aus dem Alltag der Ü’s zu entdecken, Fotos von diversen Arbeitsplätzen und Ähnliches, auf der Website gibt es kleine Einblicke dazu. Dann machen wir zweimal ein Speeddating mit Freiburger Übersetzer*innen, um so mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen. Auch zu den Formaten gibt es einzelne Arbeitsgruppen.

Du hast schon verschiedene Formate vorgestellt, zur Ausstellung habe ich einen Punkt gefunden, ÜBC, magst du dazu etwas sagen oder sollen die Leute gespannt bleiben und gucken?

Ja, das ÜBC war so eine Idee, wie man das ABC des Übersetzens spielerisch darstellen kann, da hat sich die „Knobel-AG“ Schönes ausgedacht, das bleibt aber wahrscheinlich denen vorbehalten, die auch vor Ort sind und da mitmachen können. Wir hätten gern mehr digital hingekriegt, aber das ist einfach auch eine Frage der Finanzen. Alles, was wir hinbekommen, findet man auf der Website unter Digitales, zum Beispiel ein Übersetzungs-MemorÜ, natürlich mit Ü am Ende, wo man sich in geglückter Pärchenvermittlung von übersetztem und Original-Cover üben kann … gar nicht so einfach ….

…da wir ja auch wissen, wie sehr die Titel bei den Übersetzungen vom Original abweichen können. Du hast ja schon gesagt, dass ihr einige Formate online stellt, wie sieht es denn mit dem Streamen von Veranstaltungen aus?

Wir streamen so viel, wie wir personell gestemmt bekommen, da wir uns coronabedingt entschieden haben, dass wir zunächst nur so viel Karten in den Verkauf geben, dass wir so safe sind, auch Getränke verteilen zu können. Sollte die Nachfrage punktuell sehr groß, haben wir noch Spielraum, indem wir z.B. den Cafébetrieb bei manchen Veranstaltungen einschränken. Und wir wollen streamen, weil wir uns vorstellen könne, dass die Veranstaltungen auch für Auswärtige sehr interessant sind und man sich dann auch aus anderen Regionen zuschalten kann.

Nenn uns doch einige Beispiel, was wir auch online sehen können.

Wir werden die Eröffnung am 19.9. auf jeden Fall streamen, da gibt es eine Mini-Revue durch übersetzte Bücher, die Leiterin des hiesigen Amerikahauses, der Comic und Graphic Novel-Übersetzer Uli Profröck, Hanna Hovtvian vom Literaturhaus und ich stellen je zwei Bücher vor, die in Freiburg übersetzt wurden. Für den aktuellen Stand, was gestreamt wird, hier klicken.

Manche Ideen ließen sich auch nicht realisieren, so ein Festival schrumpft sich gesund. Wir wollten z.B. viel zum erweiterten Begriff des Übersetzens machen und hatten z.B. eine Künstlerin, die Zellstrukturen von Pflanzen sichtbar macht, die sich wie ein Mund bewegten, und dann eine Lippenleserin engagiert, die diese „übersetzen“ sollte. Dafür hat es mit tollen anderen Projekten geklappt. So haben wir Lea Schneider, Kassandra Wedel und Franziska Winkler vom Berliner Literaturprojekt „handverlesen“ eingeladen.

Dann die Veranstaltung „Jenseits der Hauptsprachen“, da kommt der Berliner Verleger Sebastian Guggolz, der viele kleine Sprachen in Europa mit seinen Büchern „wiederbelebt“ hat, und die Schriftstellerinnen Annette Hug, die aus dem Tagalog, einer präkolonialen Sprache der Philippinen, übersetzt, und Lea Schneider, die aus dem Chinesischen übersetzt. Moderieren wird der Belgier Frank Geeraers, ein sprachliches Multitalent.

Außerdem ist Diversität und literarisches Übersetzen ein großes Thema, dazu wird es ein Panel geben als Hybridveranstaltung, mit Leila Chamma und Cornelia von der Tann die gerade „Die Farbe Lila“ von Alice Walker neu übersetzt. Zugeschaltet werden Mirjam Nuenning und Melody Ledwon. Diese Veranstaltung wird ebenso gestreamt wie das Gespräch zwischen Anne Weber und Cécile Wajsbrot – eine Übersetzerin, die sich als Autorin selbst übersetzt, übersetzt eine Autorin, die über eine Übersetzerin schreibt, die eine Autorin übersetzt, die die Autorin selbst übersetzt hat.

Jetzt habt ihr ja auch einige Veranstaltungen mit uns, also mit der Weltlesebühne, wie kam es denn zu der Kooperation?

Da haben wir etwas geschlafen, das kam dann über Tobias Scheffel zustande, der ja unser Vertreter dort ist. Wir haben den 30.9., also denn Hieronymustag, noch im Festival, und natürlich wollten wir dann nicht parallel zum Cafè-Ü unser traditionelles Gläsernes Übersetzen in der Stadtbibliothek machen, sondern haben gesagt, das machen wir bei uns. Wir haben drei VAs mit der Weltlesebühne, weil das auch ein Format ist, das ein wunderbarer Einstieg ins Übersetzen für das Publikum ist und sehr aktiv angenommen wird, außerdem wird dies permanent im Cafè Ü auf einer Leinwand ohne Ton übertragen, so kann man beim Kaffee dabei zusehen, wie Übersetzungen entstehen.

Da ist die Weltlesebühne sehr präsent und beteiligt sich auch finanziell, wir wollen ja auch anständige Honorare zahlen. Wir haben manche Kosten unterschätzt und sind deshalb sehr dankbar für Partner, die dann weitere Elemente fürs Café Ü möglich machen, und freuen uns, dass wir insgesamt über ein Dutzend Partner mit im Boot haben, allein 7 Sprach- und Kulturinstitute. Ihr von der digitalen WLB wärt da ein guter Partner gewesen für die Clips, weil die ja auch ein größerer Posten sind und diese Idee von Nachhaltigkeit haben, das hätte auch ein befruchtendes Wechselspiel sein können, aber das wird es auch so geben. Wir haben ja auch noch die Clips, bei denen Autor*innen etwas zu ihren Übersetzer*innen sagen, die diese selbst gedreht haben.

Jetzt hast du ja schon gesagt, ihr habt ein tolles Team, eine Basis mit dem Freiburger Literaturhaus, die ihr natürlich auch selbst mit geschaffen habt, eine gute Organisation mit Arbeitsgruppen. Geht es dann weiter mit Cafè-Ü? Gibt es nächstes Jahr eine Fortsetzung?

Nein. Dazu muss man einfach sagen, wir haben jetzt vom Übersetzerfonds Mittel in Höhe von 65.000 Euro bekommen, das kriegt man nicht jedes Jahr. Dazu kommt, dass das eine der größten Veranstaltung war, die das Literaturhaus je gemacht hat, und das Literaturhaus hat ein sehr gutes ambitioniertes Programm, aber 12 Tage Programm mit dem kleinen Team … es muss ja auch jeden Tag jemand am Tresen stehen, am Einlass, die Technik, das ist nicht zu stemmen. Aber auch da springen die Freiburger Ü’s mit ein. The Artists Are Present…

Wir freuen uns, dass auch Kolleg*innen zu uns nach Freiburg kommen, was ja in Wolfenbüttel dieses Jahr nicht möglich war. Vom Vorstand des VdÜ kommt z.B. Marieke Heimburger, die zur Verleihung des Rebekka-Preises an Cornelia Holfelder von der Tann da sein wird, oder Ingo Herzke, der einen Translation Slam macht. Und wer Hunger auf Wolfenbüttel-Feeling hat, kann gern vorbeikommen! Es sollte auch so ein bisschen Szenetreff hier werden.

Du hast ja die Förderung angesprochen und gesagt, so ein Festival zu stemmen, ist natürlich nur mit einer so großen Förderung möglich. Es haben sich ja in den letzten eineinhalb Jahren recht viele Formate ums Übersetzen entwickelt, wie der Podcast Überübersetzen, ein Festival wie eures oder die Translationale in Berlin. Ist dein Ausblick positiv, es ist soviel ins Rollen gekommen, das kann jetzt nach Corona und den Förderungen nicht zu Ende sein?

Ich glaube, das ist so eine Mischung, und dass inzwischen unter uns Übersetzer*innen klar geworden ist, dass in die Öffentlichkeit gehen Teil unseres Berufs ist. Es gibt, glaube ich, auch immer mehr von uns, die Lesungen machen oder VAs organisieren. Also, das ist ein ganz wichtiger Faktor, dass man das selbst im Kopf behält. Wir wollen mit Cafè Ü auch zeigen, dass das möglich ist und man auch Partner dafür findet.

Das muss nicht das Literaturhaus sein, das kann auch z.B. ein Theater sein, man muss eben Kontakte pflegen, sich ein Netzwerk aufbauen, das über das Übersetzen hinausgeht. Dann muss man die Fördertöpfe nutzen, die wird es ja auch über Corona hinaus geben, ich kann da alle nur ermutigen, denn nur, wenn solche Veranstaltungen mehr werden, zieht man sich auch ein Publikum heran. Man sollte sich dort engagieren, es lohnt sich auf jeden Fall.

Es geht ja bei unseren Aktivitäten nicht nur darum, unseren Beruf zu präsentieren und schöne Veranstaltungen zu machen, sondern wir machen auch Lobbyarbeit für unseren Berufsstand, indem wir unsere Sichtbarkeit erhöhen.

Lieber Jürgen, vielen Dank für die spannenden Ausblicke auf das Festival, dem wir von der digitalen WLB online und vor Ort viele Besucher*innen wünschen. Sicher ein Highlight nicht nur für Übersetzende, sondern auch für alle, die interessante Einblicke in unsere Arbeit bekommen wollen.

 

Jürgen Reuß, Übersetzer aus dem Englischen und Schwedischen u.a. von Marshall McLuhan, Kevin Kelly, Douglas Rushkoff, Journalist und Autor kam durch ein Uniseminar zum Übersetzen. Dort stellten er und drei Mitstudierende fest, dass ein wichtiger Text des Medientheoretikers Marshall McLuhan nicht übersetzt war, sie setzen sich im Kollektiv daran und fanden überraschenderweise mit zwei Anrufen einen Verlag für ihr Projekt. Ab da „ging das so im Dominoeffekt weiter“, wie er erzählt.
©privat

K.S.

1 Gedanken zu “Cafè Ü- in Freiburg übersetzt -Festival, Ausstellung, Digitales (19.9. – 30.9.21)

  1. Ein wirklich beeindruckendes, tolles Programm, auch in den digitalen Bestandteilen! Besonders berührt hat mich Adelheid Zöfels Video über das „Aufhören“.

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