(c) Anja Kapunkt

Gesichter hinter den übersetzten Worten: Anja Kapunkt und Plainly Visible

Anja Kapunkt – Weltenbummlerin und Weltenleserin

Weltenbummlerin – Weltenleserin, das sind Begriffe, die ich mit der Übersetzerin und Fotografin Anja Kapunkt ganz spontan verbinde.

Denn vor ein paar Jahren gab sie ihre Wohnung in Berlin auf, stellte ihre Habseligkeiten in ihrer norddeutschen Heimat unter und war immer irgendwo in der Welt unterwegs: in Gotland oder New York, in Bulgarien, Lettland oder der Schweiz, in Berlin, Wien oder dem niederrheinischen Straelen. Überall steht für Anja die Literatur im Fokus.

Quelle: Birgit Maria Pfaffinger

 

Inzwischen hat Anja in der Literaturstadt Leipzig eine Basis gefunden. Von hier aus bereist sie nach wie vor die Welt –  Orte, die sie magisch anziehen.

Wie es anfing

Ihre Passion für Literatur gab auch den Ausschlag dafür, dass sie das Übersetzen vor gut zehn Jahren zu ihrem Beruf machte:

2011 bewarb die Weltenleserin Anja sich für ein Stipendium des Georges-Arthur-Goldschmidt-Programms.  Im Rahmen dieses Programms für junge Literaturübersetzende aus dem Französischen lernte sie u.a. das Literarische Colloquium in Berlin (LCB) und das Collège Interationale des Traducteurs  Litteraires (CITL) in Arles kennen. Sie sammelte erste Eindrücke und Erfahrungen im Übersetzen und fing Feuer: Das entsprach ihren Berufswünschen und ganz generell ihrer Mentalität. Während der drei Monate des Goldschmidt-Programms war ihr deutscher Mentor der Übersetzer Tobias Scheffel. Er vermittelte Anja ihren ersten Auftrag. Seitdem ist sie „dabei“! Inzwischen ist auch das Übersetzen von Literatur aus dem Englischen dazugekommen.

Magische Momente

Was Anja besonders fasziniert, ist das Entdecken der Gesichter und Persönlichkeiten, die hinter den geschriebenen Worten stehen. Sie sind dem großen Publikum kaum bekannt.

Selten sind ihre Namen auf dem Einband eines Buches zu lesen, immerhin haben sie sich inzwischen bis auf die Titelei vorgearbeitet. Und doch: Übersetzende sind jeweils die Stimme einer Autorin oder eines Autors bzw. eines Werkes in einer anderen Sprache. Ohne sie würden es die meisten Bücher kaum über die Grenzen der Originalsprache hinaus schaffen.

Als Gast in Literatur- und Übersetzerzentren wie dem LCB in Berlin, dem CITL in Arles, dem Europäischen Übersetzerkollegium in Straelen, dem Baltic Center for Writers and Translators in Visby auf Gotland, dem Übersetzerhaus Looren (Schweiz) oder auch dem Ventspilshouse in Lettland hat sie die Begegnung mit diesen Menschen schätzen gelernt: Der Austausch mit ihren übersetzenden Kolleginnen und Kollegen in dieser ganz besonderen Atmosphäre, über die Arbeit, die Literatur, aber auch über aktuelle Themen allgemein, die die Welt jeweils beschäftigen, das gehört ebenso zum Arbeitsalltag wie das Wälzen von Nachschlagewerken oder langwierige Recherchen im Internet.

Lange Gesprächsabende wie zum Beispiel in der legendären Küche im EÜK in Straelen – das sind magische Momente. Unvergesslich. Hier entstehen langlebige Kontakte und Freundschaften.

Übersetzende sichtbar machen

Diese Momente gilt es festzuhalten! Anja fotografiert nun ihre Kolleg*innen, um die Magie des Augenblicks zu bannen. Zunächst sind das einfach Erinnerungen für sie selbst. Aber mit der Zeit ensteht eine Sammlung von ausdrucksstarken Fotos. Damit müsste man mehr machen! Diese Gesichter und Persönlichkeiten auch für ein breiteres Publikum sichtbar machen! Aber wo? Und wie ließe sich Aufmerksamkeit für ein solches Projekt wecken? Schließlich kommt Anja auf die Idee, eine Facebook-Seite für diese Fotos anzulegen: Übersetzende aus der ganzen Welt porträtiert sie und bittet sie, jeweils einen individuellen Text zu verfassen, der das Bild begleitet.

Das war der Anfang: 2017 ging PLAINLY VISIBLE an den Start!

Screenshot_Plainly Visible

 

PLAINLY VISIBLE – Photographs of Translators

Klein, aber fein, das war Anjas Projekt-Idee zunächst. Dass es sich regelrecht zum Selbstläufer entwickeln würde, war nicht vorauszusehen. In gut vier Jahren entstanden über hundert Porträts. Inzwischen sind sie nicht mehr nur auf Facebook zu sehen. Bereits 2018 kam die erste „externe“ Anfrage für eine Ausstellung: Anjas Fotos wurden zum Auftakt des Toledo-Programms gezeigt. 2019 folgte eine Ausstellung im LCB: Im Rahmen des internationalen Übersetzertreffens „Nachtleuchten“ stellte sie Bilder von der Reise einer Gruppe von Übersetzenden aus Deutschland in die bengalische Megastadt Kolkata – City of Translators aus. Im Sommer 2021 waren ihre Fotos im Literatur- und Übersetzerhaus Sofia zu sehen.

Im Herbst begleiteten ihre Porträts die Translationale, Berlins neues Festival rund ums Übersetzen, als Projektionen auf die Fassade des Collegium Hungaricum, dem Veranstaltungsort des Festivals.

(c) Anja KapunktQuelle: (c) Anja Kapunkt

Kosmopolitisch

PLAINLY VISIBLE wächst und hat sich als feste Größe etabliert. Es wird  aus vielen unterschiedlichen Perspektiven wahrgenommen, ist offen und international. Ein ganz und gar kosmopolitisches Projekt, das dafür lebt, Übersetzende aus der Unsichtbarkeit herauszuholen, ihren Namen ein Gesicht zu geben.

B.E.

 

 

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